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§ 25f UStG: Neue Vorschrift zum Umsatzsteuerstrafrecht

von Autorenteam

Mit dem am dem 01.01.2020 in Kraft getretenen § 25f UStG versucht der deutsche Gesetzgeber, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Mehrwertsteuerbetrug umzusetzen. Dies gelingt ihm allerdings nicht uneingeschränkt.

Der EuGH hat sich vielfach mit den steuerlichen Auswirkungen einer Einbindung von Unternehmern in sogenannte Umsatzsteuerkarusselle und Umsatzsteuer-Betrugsketten befasst. Seit seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2006 (Rechtssache C-439/04 und C-440/04, „Kittel und Recolta Recycling“) hat der EuGH sukzessive eine steuerliche Rechtlosstellung für Unternehmer etabliert, falls diese „wussten oder hätten wissen müssen“, dass sie in einen Mehrwertsteuerbetrug eingebunden waren.

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung (der Bundesfinanzhof für das Steuerrecht und der Bundesgerichtshof für das Steuerstrafrecht) hat diese Vorgaben des EuGH übernommen, das Bundesverfassungsgericht hat die steuerstrafrechtlichen Konsequenzen hieraus als verfassungsgemäß bestätigt.

Obgleich sich die negativen steuerlichen Konsequenzen einer Einbindung in einen Mehrwertsteuerbetrug nach dieser einhelligen Rechtsprechung bereits unmittelbar aus dem Unionsrecht ergeben, wurden sie nun (nicht vollständig) in § 25f UStG kodifiziert. Danach hat das Finanzamt Folgendes zu versagen:

  • die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung,
  • den Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge,
  • den Vorsteuerabzug für innergemeinschaftliche Erwerbe,
  • den Vorsteuerabzug für Leistungen i. S. des § 13b UStG sowie
  • beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft die Besteuerungsfiktion des § 25b Abs. 3 UStG und der Vorsteuerabzug gem. § 25b Abs. 5 UStG.

Nicht gesetzlich geregelt, obwohl vom EuGH so gehandhabt, wurde die Versagung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 UStG). Gleiches gilt für die Steuerbefreiung bei der Einfuhr (§ 5 UStG).

Aufgrund der zentralen Bedeutung der neuen Vorschrift für das Umsatzsteuerstrafrecht stellt sich hier die Frage, ob sich ein Auffüllen dieser Lücken durch die bis Ende 2019 praktizierte Auslegung des Unionsrechts weiterhin mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbaren lässt. Stimmen in der Literatur befürchten bereits, dass „durch die Einführung des § 25f das bisherige Verbot von Missbräuchen und Steuerhinterziehungen steuerstrafrechtlich zugunsten der Täter eingeschränkt worden“ sein könnte.

Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber die Versagung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und bei der Einfuhr nicht angeordnet hat. In Betracht kommt – wenn auch wenig wahrscheinlich – ein sog. beredtes Schweigen des Gesetzes. Im Umkehrschluss zur Anordnung der Versagung der Steuerbefreiung bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen etc. ließe sich vertreten, dass der Gesetzgeber durch das Nicht-Aufführen der Ausfuhrlieferungen und der Einfuhr zum Ausdruck bringen wollte, dass hier die Steuerbefreiung nicht versagt werden soll.

Problematisch ist dies insbesondere im Hinblick auf das im Strafrecht besonders bedeutsame Bestimmtheitsgebot. Ein Verstoß gegen dieses Bestimmtheitsgebot liegt vor, wenn Regelungen unklar und widersprüchlich bleiben, so dass die Normbetroffenen die Rechtslage nicht erkennen und ihr Verhalten nicht danach einrichten können.

Die Mißverständlichkeit der Norm kann zudem zu Schwierigkeiten beim Nachweis vorsätzlichen Handelns in Fällen angeblicher Steuerhinterziehung führen. Denn der Irrtum des Steuerpflichtigen über das Steuerrecht schließt nach der herrschenden sog. Steueranspruchstheorie den Vorsatz aus. Ist dem Steuerpflichtigen nicht zu widerlegen, dass er etwa infolge der Lektüre der Norm tatsächlich zu dem Schluss gelangt ist, seine Steuerbefreiung sei nicht entfallen, scheidet eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung aus. Es verbleibt dann allenfalls der Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung, bei der es sich aber nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 25f UStG im Steuerstrafverfahren folgen zudem unter Umständen daraus, dass sich die Regelung nur auf Steuerhinterziehungen bzw. Schädigungen des Umsatzsteueraufkommens durch andere Personen als den Unternehmer selbst bezieht, in der Regel also Lieferanten auf der vorgelagerten oder Leistungsempfänger auf der nachgelagerten Stufe. Denn für die Versagung von Steuerbefreiungen etc. bezogen auf den Täter selbst bedarf es weiterhin des Rückgriffs auf das Unionsrecht.

Aber auch auf der Tatbestandsseite lässt die Norm viele Fragen unbeantwortet. Unklar ist etwa, wie die von der Vorschrift geforderte Beteiligung an einem betrügerischen Umsatz im Detail aussehen muss. Ferner ist fraglich, ob der Gesetzgeber mit seiner Neuschöpfung den „Mehrwertsteuerbetrug“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zutreffend umschrieben hat, denn eine klare Definition des Begriffs hat der EuGH trotz seiner zahlreichen Entscheidungen zum Thema nicht geschaffen.

Für die potentiell betroffenen Unternehmer bringt die Neuregelung daher nicht die zu wünschende Sicherheit. Da insbesondere weiterhin ungeklärt ist, wann davon auszugehen ist, dass ein Unternehmer „wissen musste“, dass er in einen Mehrwertsteuerbetrug eingebunden wurde, müssen sich die Unternehmer weiterhin bestmöglich selbst absichern.

Faktisch führt dies zu einer Abwälzung der eigentlich der Finanzbehörden obliegenden Kontrollaufgaben. So sollten Kunden und Lieferanten im Hinblick auf ihre „steuerliche Zuverlässigkeit“ überprüft werden. Eine Hilfestellung hierzu ist den Finanzbehörden bereits aufgrund des Steuergeheimnisses nicht möglich.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich die Situation der Unternehmer durch die Einführung des § 25f UStG nicht verbessert hat. Der Gesetzgeber hat vielmehr die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Rechtlosstellung der tatsächlich oder vermeintlich in einen „Mehrwertsteuerbetrug“ eingebundenen Unternehmer in das nationale Recht überführt, hierbei jedoch die Gelegenheit ungenutzt gelassen, bestehende Rechtsunsicherheiten zu beheben. Insbesondere ist nach wie vor ungeklärt, wann genau davon auszugehen sein soll, dass ein Unternehmer „hätte wissen müssen“, dass er in einen „Mehrwertsteuerbetrug“ eingebunden war. Angesichts der immensen finanziellen und auch strafrechtlichen Risiken für die betroffenen Unternehmer ist eine zeitnahe Klärung dieser Frage unverzichtbar.

Autoren:

Torsten Hildebrandt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), Berlin und Hamburg, www.steuerstrafrecht-rechtsanwalt.de

Peter Scheller, Steuerberater, Master of International Taxation, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern, Hamburg, www.scheller-international.com

Bildquelle: © Nishihama - Adobe Stock

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