Antidumpingzölle und ihre strafrechtlichen Risiken (1)
von Autorenteam
Internationale Grundlagen
Die Europäische Union erhebt wie praktisch alle anderen Staaten dieser Welt Einfuhrabgaben. Dies sind Zölle auf die Einfuhr von Waren. In der EU kommt dann noch die Einfuhrumsatzsteuer und bei bestimmten Warengruppen eine Verbrauchsteuer auf die Einfuhr hinzu. Antidumping- und Ausgleichszölle spielen dabei wegen ihrer häufig drastischen Höhe eine wichtige Rolle. Falsche Zollanmeldungen, die zu keiner oder einer zu niedrigen Abgabenerhebung führen, bergen immer das Risiko, dass bei Aufdeckung durch die Zollbehörden nicht nur Abgaben und Zinsen nachgefordert werden. Falsche Anmeldungen können auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die nachfolgende Artikelserie stellt die Grundzüge von Antidumpingmaßnahmen dar, wie praktisch zu verfahren ist und welche Risiken insbesondere inländische Importeure haben.
Das Zollrecht ist EU-Recht, weil alle Mitgliedsstaaten in einer Zollunion vereinigt sind. Aus diesem Grund gibt es zwischen den Mitgliedsstaaten keine Zollkontrollen und keine Einfuhrabgaben. Diese werden nur erhoben, wenn Waren aus Drittstaaten in das Zollgebiet der Union eingeführt werden. Ausfuhrabgaben erhebt die EU momentan nicht. Das durchschnittliche Niveau von Regelzöllen ist in der EU relativ niedrig und auf viele Waren werden überhaupt keine Zölle erhoben. Anders sieht es aus, wenn Antidumping- oder Ausgleichszölle erhoben werden. Diese haben zum Teil konfiskatorischen Charakter und können im Extremfall über 100% des Einfuhrwertes betragen. Betroffen sind hiervon bestimmte Warengruppen aus bestimmten Herkunftsländern. Manchmal sind hiervon auch nur einzelne Unternehmen oder Unternehmensgruppen aus Herstellerländern betroffen.
Dumping ist ein englischer Begriff, der bedeutet, dass Dinge weggeworfen bzw. verschleudert werden. Zollrechtlich versteht man unter Dumping eine Preisgestaltung, die im internationalen Kontext als unangemessen oder gar unlauter angesehen wird. Die objektive Komponente des Dumpings ist das Anbieten von Waren zu Preisen, die erheblich unter den üblichen Marktpreisen des Einfuhrlandes liegen. Dies kann Gründe wie bessere Produktionsbedingungen oder ein niedrigeres Lohnniveau im Herkunftsland haben. Es gibt aber auch Gründe, die als schädlich angesehen werden:
- Ein Grund kann die Subventionierung von Exportpreisen durch staatliche Behörden oder andere Organisationen im Herkunftsland sein (Subvention).
- Ein anderer Grund kann dann vermutet werden, wenn ein exportierendes Unternehmen die Waren im Einfuhrland zu Preisen anbietet, die deutlich unter den Verkaufspreisen auf dem Herstellermarkt liegen. Ziel eines solchen Verhaltens kann sein, die heimische Industrie im Bestimmungsland preislich zu unterbieten und dadurch zu schwächen oder ganz aus dem Markt zu drängen.
- Weitere Gründe können natürlich auch sein, dass im Herstellerland deutlich niedrigere soziale oder ökologische Standards herrschen als im Einfuhrland.
Vorstehende Phänomene konnten und können in der Praxis häufig beobachtet werden. Ganze Industriezweige in den hochindustrialisierten Staaten Nordamerikas oder Europas sind „ausgestorben“ und vollumfänglich nach Ostasien verlagert worden. Solchen Entwicklungen versucht man mit Antidumping- oder Ausgleichszöllen entgegen zu treten.
Das gesamte Zolltarifrecht beruht auf internationalen Vereinbarungen. Wichtigste Organisation ist dabei die Welthandelsorganisation (WTO). Sie wurde 1994 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) in der Uruguay-Runde nach langjähriger Verhandlungszeit gegründet und hat ihren Sitz in Genf. Grundsätzlich liegt nach Artikel VI GATT ein schädliches Dumping vor, wenn es eine bedeutende Schädigung des Einfuhrlandes verursacht. Allerdings dürfen ungerechtfertigte Maßnahmen zur Dumpingabwehr nicht dazu genutzt werden, den internationalen Handel zu beeinträchtigen. Ein Dumping liegt dann vor, wenn das Dumping einen inländischen Wirtschaftszweig bedeutend schädigt oder zu schädigen droht oder dass dadurch die Errichtung eines inländischen Wirtschaftszweiges erheblich verzögert wird.
Grundsätzlich haben sich die Vertragspartner der WTO darauf geeinigt, dass diskriminierende Maßnahmen zur Behinderung des internationalen Handels verboten sind. Hierfür gibt es zwei Mechanismen, die eine Diskriminierung verhindern sollen. Einerseits gibt es eine Liste der Maximalzölle, über welche die Mitgliedsstaaten nicht hinausgehen dürfen. Andererseits gilt das Prinzip der Meistbegünstigung. Dieses verbietet die Ungleichbehandlung gleichartiger Produkte aus verschiedenen Mitgliedsstaaten. Handelsvorteile, die ein Staat einem anderen Staat gewährt, müssen auch allen anderen Mitgliedsstaaten gewährt werden. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen zugunsten von Zollunionen (z.B. der Europäischen Union) und Freihandelszonen (EFTA, NAFTA; CETA, TTP). Von diesen Regeln gibt es darüber hinaus eine Vielzahl von Ausnahmen, wie Ausgleichszölle, die bei staatlicher Subventionierung und Antidumpingzölle, die bei ungerechtfertigtem Dumping verhängt werden können. Daneben gibt es eine ganze Anzahl weiterer Ausnahmen wie solche zum Schutz der nationalen Sicherheit (essential security interests). Letztere bemühte US-Präsident Trump bei seiner Einführung von „Strafzöllen“ auf Stahl und Aluminium.
Hinweise:
(1) Neben der Erhebung von Antidumping- oder Ausgleichszöllen haben Staaten weitere Abwehrmaßnahmen zu Verfügung, wie beispielsweise mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen (Kontingente) oder technische Normen.
(2) Eine weitere Begründung für die Einführung handelspolitischer Restriktionen liegt darin, andere Staaten zu treffen, die ihrerseits Handelsbarrieren verschiedenster Art aufgebaut haben.
Im zweiten Teil der Artikelserie werden wir die Rechtsgrundlagen in der Europäischen Union darstellen.
Glossar
CETA |
Comprehensive Economic and Trade Agreement (between the EU and Canada) |
EFTA |
European Fair Trade Association |
GATT |
General Agreement on Tariffs and Trade |
NAFTA |
North American Free Trade Agreement |
TTP |
Trans-Pacific Partnership |
WTO |
World Trade Organization |
Autoren:
Torsten Hildebrandt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), Berlin und Hamburg, www.steuerstrafrecht-rechtsanwalt.de
Peter Scheller, Steuerberater, Master of International Taxation, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern, Hamburg, www.scheller-international.com
Bildquelle: © Detailfoto - iStock
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