Handelsvertreter: Ausgleich in Frankreich auch bei Kündigung in Probezeit
von Dr. Christophe Kühl
Das höchste französische Gericht (Cour de Cassation) nimmt zu der Frage Stellung, ob ein Handelsvertreter auch dann Anspruch auf eine Entschädigung hat, wenn der Vertrag während einer vertraglich vereinbarten Probezeit beendet worden ist (Kassationsgerichtshof, Urteil vom 23.01.2019, Az. 15-14.212).
Zwischen zwei Unternehmen bestand ein Handelsvertretervertrag, der französischem Recht unterlag. Dieser Vertrag sah eine 12-monatige Probezeit vor, während derer der Vertrag von beiden Parteien jederzeit mit einer bestimmten Frist beendet werden konnte. Der Geschäftsherr hatte den Vertrag während der Probezeit mit der Begründung gekündigt, dass der Handelsvertreter die vereinbarten Ziele nicht erreicht habe. Der Handelsvertreter klagte auf Zahlung der Kündigungsentschädigung (Ausgleich). Das Berufungsgericht Orléans hatte die Klage – entsprechend der bisherigen französischen Rechtsprechung – noch mit der Begründung abgewiesen, das Handelsvertreterrecht stehe der Vereinbarung einer Probezeit, innerhalb derer dem Handelsvertreter ohne Ausgleich gekündigt werden kann, nicht entgegen.
Auf die Revision des Handelsvertreters hat der Kassationsgerichtshof diese Frage dem EuGH vorgelegt. Dieser hat daraufhin entschieden, dass Artikel 17 der Handelsvertreterrichtlinie[1] so auszulegen ist, dass die Vereinbarung einer Probezeit den Anspruch auf Zahlung des Ausgleichs bzw. der Kündigungsentschädigung unberührt lässt (EuGH 19.04.2018, Rechtssache C-645/16). Der französische Kassationshof folgt mit seiner Entscheidung nun den Vorgaben des EuGH. Mit der Begründung, dass das Berufungsgericht den Artikel L.134-12 des französischen Handelsgesetzbuches falsch angewendet hat, hat er dessen Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht Angers weiterverwiesen.
Wenngleich somit der Ausgleichsanspruch auch in der Probezeit dem Grunde nach besteht, kann das Instanzgericht bei dessen Bemessung berücksichtigen, dass der Vertrag nur kurze Zeit bestanden hat. Während in Frankreich üblicherweise ein Schadensersatzanspruch in Höhe von zwei Jahresprovisionen gerechnet auf den Durchschnitt der letzten drei Jahre zugesprochen wird, kann der Anspruch im Falle einer Kündigung im Rahmen der Probezeit auch geringer ausfallen.
Praxistipps
- Die Vereinbarung einer Probezeit schließt den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach neuerer französischer Rechtsprechung nicht mehr aus. Eine Probezeit hat mithin für den Unternehmer kaum mehr Vorteile.
- Da der Handelsvertreter nach französischem Recht Anspruch auf eine etwa doppelt so hohe Abfindung hat (i.d.R. zwei durchschnittliche Jahresvergütungen), als nach deutschem Recht (maximal eine durchschnittliche Jahresvergütung), sollte aus Sicht eines deutschen Unternehmens der Vertrag mit einem französischen Handelsvertreter dem deutschem Recht unterworfen werden. Dies geht nur mit einer schriftlichen Rechtswahlklausel.
[1] Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordination der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter
Autor:
Dr. Christophe Kühl (Köln/Paris), Avocat au Barreau de Paris, Rechtsanwalt
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